Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

221854

Exkurse

Hermann Lübbe

pp. 269-304

Abstract

Die sogenannte Schnellebigkeit unserer Zeit beschäftigt die Zeitgenossen anhaltend seit vielen Jahrzehnten. Für die Verarbeitung der Belege wäre man auf Datenverarbeitungsgeräte angewiesen. Selbst bei Beschränkung auf Prominenten-Zitate müßte man zur Demonstration der Aufmerksamkeit unserer Zeitgenossenschaft auf die Bewegtheit unserer Zivilisation noch allzu ausführlich werden - von Goethe über Jacob Burckhardt bis zu Martin Heidegger. Die anhaltende Allgegenwart von Bekundungen des Eindrucks wachsender Dynamik der Entwicklungen, denen wir unterliegen, legt es nahe zu vermuten, daß es sich bei diesem Eindruck um eine kulturelle, näherhin anthropologische Konstante handele. Das Leben ist kurz - das ist Väter-Weisheit, und je größer der Lebenszeitanteil ist, den man bereits hinter sich hat, um so knapper wird banalerweise die Lebensfrist, mit der man noch rechnen kann, um so rascher verfliegt sie zugleich, und das ist, auch wenn es sich dabei um eine Gemeinerfahrung handelt, weniger banal. Man könnte also finden: In den Dauerkommentaren zur Schnellebigkeit moderner Zeiten spiegelt sich altvertraute Lebenserfahrung, die sich in aktuelle Kulturkritik umsetzt. - Indessen: Die Menge der Äußerungen über die Schnellebigkeit unserer Zeit ist keine Zeit-Konstante. Sie wächst vielmehr ihrerseits, und wer vermuten möchte, daß das in Korrelation zur wachsenden Vielschreiberei unserer Zeit so sei, hätte eben damit seinerseits einen der kulturellen Bestände genannt, über die sich der Eindruck des Beschleunigungscharakters zivilisatorischer Evolution objektivieren ließe.

Publication details

Published in:

Lübbe Hermann (1992) Im Zug der Zeit: Verkürzter Aufenthalt in der Gegenwart. Dordrecht, Springer.

Pages: 269-304

DOI: 10.1007/978-3-662-02809-4_8

Full citation:

Lübbe Hermann (1992) Exkurse, In: Im Zug der Zeit, Dordrecht, Springer, 269–304.