Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

208789

Linke Melancholie? Erich Kästners Fabian

Walter Delabar

pp. 15-34

Abstract

Die germanistische Rezeption des Werkes Erich Kästners, und hier natürlich vor allem der drei frühen Gedichtbände und des Romans Fabian2, steht in einem merkwürdigen Gegensatz zur Wertschätzung, die ihm im breiteren Publikum entgegengebracht wird, und ist anscheinend bis heute geprägt von jenem gründlichen Verriß, den Walter Benjamin 1931 aus Anlaß des Erscheinens des Bandes Ein Mann gibt Auskunft (1930) in der Zeitschrift Die Gesellschaft veröffentlicht hat3. Wie wäre anders zu erklären, daß die Autoren vor allem der siebziger und achtziger Jahre nicht angestanden haben, Kästner und seinem Werk die unterschiedlichsten Verfehlungen und Mängel nachzuweisen?4 Die Vorwürfe richten sich je nach Geschmack und Arbeitsweise gegen den Autor oder gegen seinen Helden und lassen wenig aus: Kästners Literatur habe einerseits 'so wenig in Bewegung" gesetzt5, andererseits die "Entpolitisierung der Intellektuellen" mit vorangetrieben6 und sie so auf die innere Emigration mit vorbereitet.7 Hilfreich gewesen sein sollte ihm dabei seine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem entwicklungsfreien Geschichtsbild Gottfried Benns, die ihm Dieter Mank nachgewiesen hat.8 Hinzu kommen die "fruchtlose Bitterkeit" seiner Texte9, 'seine nicht mehr erträgliche Larmoyanz" 10, die Passivität11, Isolation12 und Standpunktlosigkeit seines Helden Fabian, der eine "Karikatur freischwebender Intelligenz" sei13. Hatte Volker Klotz noch den Helden des Romans gemeint, wenn er attestierte, daß 'seine passive, unentschiedene Haltung an seinem Charaktervolumen, an seiner politischen Einsicht und seiner generellen Reflexionskraft gegenüber dem, was ihm begegnet", gezehrt habe,14 nahm Dieter Mank Kästner selbst ins Visier und warf ihm mangelnde "Einsicht in die spezifische Problematik politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen"15 vor.

Publication details

Published in:

Döring Jörg, Jäger Christian, Wegmann Thomas (1996) Verkehrsformen und Schreibverhältnisse: Medialer Wandel als Gegenstand und Bedingung von Literatur im 20. Jahrhundert. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 15-34

DOI: 10.1007/978-3-322-95656-9_2

Full citation:

Delabar Walter (1996) „Linke Melancholie? Erich Kästners Fabian“, In: J. Döring, C. Jäger & T. Wegmann (Hrsg.), Verkehrsformen und Schreibverhältnisse, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 15–34.