Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

220959

Wissen und Glaube

Jörg Wesche

pp. 98-104

Abstract

Wissen und Glaube sind in besonderer Weise mit dem Faust-Stoff verbunden. Dies gilt gerade für die Makroepoche der Frühen Neuzeit (ca. 1500 bis 1800), in der beide Schlagwörter kulturgeschichtlich eine zentrale Stellung einnehmen. Sie sind jedoch nicht als apriorische Kategorien zu fassen, da sie begriffshistorisch jeweils einem Wandel bzw. einer Ausdifferenzierung und Umwertung unterliegen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch der semantische Zusammenhang zwischen dem Begriffspaar mehrdeutig und dynamisch zu denken ist. Dies lässt sich nicht zuletzt entlang der frühneuzeitlichen Wirkungsgeschichte des Faust-Stoffs nachvollziehen. Die sich philosophisch vor allem durch Kant, Jacobi, Schelling und Fichte zunehmend verfestigende Kollokation von Glauben und Wissen ist aus heutiger Sicht gleichwohl wesentlich durch Hegels gleichnamigen Aufsatz von 1802 bzw. seine dritte Vorlesung über die Beweise vom Dasein Gottes (1829) geprägt. Für die Frühe Neuzeit ist sie strenggenommen anachronistisch. Bereits Hegel versteht das Verhältnis von Wissen und Glauben nicht einfach als Gegensatzrelation, sondern reflektiert es in kategorial verschiedenen Dimensionen des Fürwahrhaltens (dazu Simon 2003). Von theologischer Seite werden drei Zuordnungstypen vorgeschlagen: »1) Modelle der fakt.[ischen] bzw. asympt.[otischen] Ineinssetzung von Glauben und Wissen [...]; 2) Modelle der unvermittelten od.[er] unvermittelbaren Nebeneinanderstellung beider [...]; 3) Modelle der Hinordnung des W.[issens] auf den G.[lauben] (od.[er] umgekehrt) unter Zugrundelegung der Annahme ihrer letztlich unaufhebbaren Differenz« (Valentini/Seckler 1995, 694). Angesichts der komplexen philosophisch-theologischen Diskussion der Konstellation, die bis in die Gegenwart anhält (vgl. in jüngerer Zeit etwa die Applikation auf die postsäkulare Gesellschaft bei Habermas 2001), werden die Bezeichnungen nachfolgend im Sinne problemgeschichtlicher Orientierung als offene Verständigungsbegriffe gebraucht.

Publication details

Published in:

Rohde Carsten, Valk Thorsten, Mayer Mathias (2018) Faust-Handbuch: Konstellationen – Diskurse – Medien. Stuttgart, Metzler.

Pages: 98-104

DOI: 10.1007/978-3-476-05363-3_12

Full citation:

Wesche Jörg (2018) „Wissen und Glaube“, In: C. Rohde, T. Valk & M. Mayer (Hrsg.), Faust-Handbuch, Stuttgart, Metzler, 98–104.