Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

203586

Georg Büchner

Das endlose Drama

Gerhart Baumann

pp. 30-45

Abstract

Ist das Drama nicht bereits zu Ende, wenn sich die Eingangsszene von "Dantons Tod" unserem Blick darbietet, sind es schon Totengespräche, die hier noch geführt werden, zeigen sich Gestalten, die zwar hier und doch nicht gegenwärtig erscheinen, behalten Gebärde und Worte nicht den Charakter von Schatten und Schein? Unwillkürlich sieht man sich zu diesen Fragen genötigt, denn unverzüglich gewinnt man die Gewissheit, dass sich zwar etwas vollzieht, dass alle Entscheidungen jedoch, wenn überhaupt welche möglich, längst gefallen sind. Keine Exposition stellt sich vor, vielmehr verharrt alles an seinem Platz in dem Bewusstsein des Überfälligen. Die Gestalten erscheinen zugleich vereint und getrennt; ihre Anwesenheit wird überwacht, jeder unbewachte Moment indessen verlockt sie zur Abwesenheit; sie warten, um zu vergessen und erinnern sich aus Notwehr, um sich nicht völlig zu verlieren. Entfaltet sich aber aus Warten und Vergessen nicht ein grenzenloses Drama? Kein Prozess drängt hier zu einem Urteil; das Vor-Urteil entscheidet unwiderruflich; keine Entscheidung zeitigt einen Charakter, vielmehr wird rücksichtslos über die Gestalt entschieden. Spielerische Willkür und der Zwang zum Spiel lassen sich zunächst kaum unterscheiden, so dass alles ins Zwielichtige rückt. Das Fluidum des Raums verströmt indessen einen unwiderstehlichen Ausdruckswert; dieser bleibt unbestimmbar und gerade deshalb erregend.

Publication details

Published in:

Landgrebe Ludwig (1965) Beispiele: Festschrift für Eugen Fink zum 60. Geburtstag. Den Haag, Nijhoff.

Pages: 30-45

DOI: 10.1007/978-94-015-3229-7_3

Full citation:

Baumann Gerhart (1965) „Georg Büchner: Das endlose Drama“, In: L. Landgrebe (Hrsg.), Beispiele, Den Haag, Nijhoff, 30–45.