Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

220976

Gretchen

Gesa von Essen

pp. 244-253

Abstract

Die Figur der Margarete aus dem ersten Teil von Goethes Faust ist in der Rezeptionsgeschichte des Dramas bereits früh auf den Typus des unschuldig-frommen, rührend naiven und unbedingt liebenden Mädchens festgelegt worden. In der bis heute üblichen Rede von ›Gretchen‹ verdichtete sich diese Vorstellung zu einem wirkungsmächtigen Klischee, das – noch weiter verstärkt durch die Bild- und Bühnendarstellungen besonders des 19. Jahrhunderts – in einer regelrechten Gretchen-Ikonographie mit altdeutscher Tracht, Gebetbuch und blonden Zöpfen seinen Ausdruck fand. Damit blieben freilich wesentliche Züge von Goethes Dramenfigur ausgeblendet, die in ihrem Profil weitaus komplexer angelegt ist und überdies im Verlauf der Handlung eine innere Entwicklung durchläuft, an deren Ende eine Protagonistin steht, die kaum mit dem geläufigen Gretchen-Stereotyp in Einklang zu bringen ist. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Textfassungen der Goetheschen Faust-Dichtung, in denen sich der epochengeschichtliche Wandel vom Sturm und Drang zur Klassik spiegelt, auch für die Gestalt des Mädchens erhebliche Umakzentuierungen aufweisen, die in der Rezeption der Tragödie zusätzliche Deutungsspielräume eröffnen sollten.

Publication details

Published in:

Rohde Carsten, Valk Thorsten, Mayer Mathias (2018) Faust-Handbuch: Konstellationen – Diskurse – Medien. Stuttgart, Metzler.

Pages: 244-253

DOI: 10.1007/978-3-476-05363-3_29

Full citation:

von Essen Gesa (2018) „Gretchen“, In: C. Rohde, T. Valk & M. Mayer (Hrsg.), Faust-Handbuch, Stuttgart, Metzler, 244–253.