Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

220955

Theater

Dieter Martin

pp. 72-79

Abstract

Ihren ersten wirkungsgeschichtlichen Kulminationspunkt erreichte die Faust-Figur fraglos mit der Historia von 1587, die mehr Leser gehabt haben dürfte als jedes andere deutschsprachige literarische Werk des späten 16. Jahrhunderts. Doch hat die Prosaerzählung als solche offenbar nicht kontinuierlich nachgewirkt. Vielmehr versiegte ihr zunächst rasanter Publikationsfluss (s. Kap. 7, Übersicht II) mit Widmans Bearbeitung von 1599, um 1674 in Pfitzers Version punktuell wieder aufzuleben und sich erst seit 1725 mit der Kurzfassung des Christlich Meynenden nochmals stark zu verbreitern. Ihre anhaltende Präsenz im öffentlichen Bewusstsein dürfte die Faust-Figur daher weniger dem Buchformat der Historia als vielmehr theatral-performativen Genres verdankt haben – schon die geringe Lesefähigkeit in der Frühen Neuzeit spricht sehr für diese These. Ihr steht allerdings spannungsvoll gegenüber, dass die Faust-Dramatik der Frühen Neuzeit nur schütter bezeugt ist und neben Christopher Marlowes Doctor Faustus wenige textlich greifbare Werke hervorgebracht hat. Bemerkenswert bleibt zudem, dass der Faust-Stoff zwar bereits in seiner narrativen Gestalt final hochdramatisch zugespitzt ist und in seinen schwankhaften Teilen eine schon vor der Historia notierte Affinität zu Posse und Fastnachtsspiel hat (Tille 1900, Nr. 20f (Roßhirt) u. 30a (Lercheimer)), dass sich seine chronologisch weitgespannte, von Biographie und Paktzeit bestimmte Anlage aber mit der im 17. und 18. Jahrhundert weithin geltenden aristotelisch-klassizistischen Dramaturgie nur schlecht vertragen konnte. So ist hier zu skizzieren, wie die Faust-Figur der Historia auf die englische Bühne Marlowes und seiner Nachfolger versetzt worden ist, wie sie von dort aus zurück in den deutschen Sprachraum gelangte und in welchen theatralen Genres sie mit welchen Wirkungsintentionen produktiv geworden ist.

Publication details

Published in:

Rohde Carsten, Valk Thorsten, Mayer Mathias (2018) Faust-Handbuch: Konstellationen – Diskurse – Medien. Stuttgart, Metzler.

Pages: 72-79

DOI: 10.1007/978-3-476-05363-3_8

Full citation:

Martin Dieter (2018) „Theater“, In: C. Rohde, T. Valk & M. Mayer (Hrsg.), Faust-Handbuch, Stuttgart, Metzler, 72–79.