Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

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220657

Neue Medien und Ideologie

Zur Dialektik der digitalisierten Aufklärung

Wolfgang Bock

pp. 1-34

Abstract

Die Kritische Theorie der ersten Generation befasst sich noch nicht mit der Digitalisierung als technischem Vorgang, wohl aber mit deren theoretischen Grundlagen. Max Horkheimers Aufsätze aus den 1930er-Jahren kritisieren die Reduktion der Vernunft auf einen logischen Positivismus. Marcuse und Fromm werden in den 1960er-Jahren die scheinbar alternativlose Technologie bzw. den kybernetischen Sozialcharakter insbesondere in den USA als neue Ideologie beschreiben. In Deutschland nimmt Jürgen Habermas in seinem Beitrag "Wissenschaft und ‚Technik als Ideologie"" das Thema auf. Die Digitalisierung beschränkt sich aber nicht allein auf theoretische Konzepte, sondern wirkt in einer bestimmten instrumentellen Praxis, u. a. als Fertigungsform in der industriellen Produktion der Arbeitswelt (Rationalisierung und Sabotageresistenz) oder als Neue Medien im Bereich der Freizeit (siehe Pollock über Automation und Benjamin-Adorno über technische Reproduzierbarkeit). Spätestens mit dem Aufkommen der Personal Computer verändern sich diese Bereiche der bürgerlichen Öffentlichkeit nachhaltig und schlagen ineinander um. In den 1990er-Jahren wird die Digitalisierung in ihren Grundzügen sichtbar. Die postmodernen Philosophen Foucault, Lyotard, Deleuze und Derrida beschreiben die ersten Effekte; Befürwortern wie Kittler und Flusser stehen Kritiker der Ambivalenz wie Agamben oder Baumann gegenüber. Wenn eine auf der Grundlage der digitalen Medien organisierte Öffentlichkeit das Modell der zukünftigen Bürgerbeteiligung an der Demokratie abgegeben soll, sieht Habermas diese in seinen jüngsten Veröffentlichungen als gefährdet an. Dem widerspricht beispielsweise Han. Die Digitalisierung aber muss als technisches Instrument kritisch verstanden werden; dazu gehört auch die Aufdeckung der in ihr inhärent transportieren Phantasmagorien einer technizistisch betrachteten Zukunft als Ideologie.

Publication details

Published in:

Bittlingmayer Uwe H., Demirović Alex, Freytag Tatjana (2019) Handbuch kritische Theorie. Dordrecht, Springer.

Pages: 1-34

DOI: 10.1007/978-3-658-12707-7_67-1

Full citation:

Bock Wolfgang (2019) „Neue Medien und Ideologie: Zur Dialektik der digitalisierten Aufklärung“, In: U. H. Bittlingmayer, A. Demirović & T. Freytag (Hrsg.), Handbuch kritische Theorie, Dordrecht, Springer, 1–34.