Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

218269

Das Neue von gestern und was übrig bleibt

New Musicologies

Michele Calella

pp. 82-110

Abstract

Das Paradoxe an kulturellen Tendenzen, die mit dem Adjektiv »neu« charakterisiert werden, ist, dass sie auf eine Überwindung des Alten selbst dann verweisen, wenn diese den Charakter des Durchbruchs längst eingebüßt hat. Dies mutet oft verwirrend an, gerade wenn das inzwischen überreif gewordene Neue noch nicht abgelöst worden ist. Die New Musicology, jener »turn«, der in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts einen oft offiziell deklarierten Paradigmenwechsel in der Musikwissenschaft der Vereinigten Staaten einleitete, macht dabei keine Ausnahme: Man spricht zwar immer wieder von ihrer Überholung bzw. Alterung,1 während alternative, im Zuge ihrer Expansion vorgeschlagene Adjektive wie »critical«, »radical« oder »cultural« gelegentlich den Platz von »new« eingenommen haben,2 aber der ursprüngliche Terminus wie die damit verbundene Bedeutung einer bahnbrechenden Tendenz zeigt auch im deutschsprachigen Raum eine erstaunliche Resistenz. Allerdings kann man sich dabei nicht des Eindrucks erwehren, dass hier die Musikforscher die Entwicklungen auf der anderen Seite des Ozeans mit einer nicht immer freundlichen Distanz beobachtet haben. Die New Musicology hat in einem gewissen Sinne in Deutschland und zum Teil auf dem Rest des europäischen Kontinents lange Zeit die Position des exotisch »Anderen« innegehabt, eines beliebig sowie pietätlos anmutenden Umgangs mit Komponisten und Werken, über dessen hochschulpolitischen Erfolg viele Kollegen mit perplexem Kopfschütteln staunten.

Publication details

Published in:

Calella Michele, Urbanek Nikolaus (2013) Historische Musikwissenschaft: Grundlagen und Perspektiven. Stuttgart, Metzler.

Pages: 82-110

DOI: 10.1007/978-3-476-05348-0_5

Full citation:

Calella Michele (2013) „Das Neue von gestern und was übrig bleibt: New Musicologies“, In: M. Calella & N. Urbanek (Hrsg.), Historische Musikwissenschaft, Stuttgart, Metzler, 82–110.