Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

208728

Praxis und Theorie der Kanonisierung in Nachbardisziplinen

Hubert Locher Melanie Wald-FuhrmannJörn GlasenappKarénina Kollmar-Paulenz

pp. 364-392

Abstract

Der Begriff des Kanons ist in der Architektur- und Kunsttheorie lange bekannt. Er entspringt dem praktischen Vokabular des Bauens (›Richtscheit‹, ›Richtschnur‹) und wird früh mit normativer Konnotation im Zusammenhang mit der Darstellung des menschlichen Körpers verwendet. Überliefert ist er als Bezeichnung einer verlorenen Schrift des Bildhauers Polyklet über die Symmetrien des menschlichen Körpers, zugleich als Name einer der Statuen des Bildhauers, die jene Verhältnisse exemplarisch vorstellt (Plinius d. Ä., Naturalis Historia, XXXIV, 55). Diese historische Prägung des Terminus mag eine der Ursachen für dessen relativ späte Verwendung innerhalb des kunsthistorischen Diskurses in jenem anderen, heute dominanten kritischen Sinn sein — als Bezeichnung für eine Gruppe von Werken der Kunst (hier bildende Kunst im weitesten Sinn, einschließlich Architektur), die innerhalb einer bestimmten sozialen Gemeinschaft als exemplarisch und für bestimmte Wertvorstellungen stehend betrachtet und erinnert werden. In dieser Bedeutung wird der Kanonbegriff erst seit den 1990er Jahren gebräuchlicher (vgl. Harris 2006, 45 f.; Jordan/Müller 2011, 173 ff.). Dass Begriff und Problem in der deutschsprachigen Kunstgeschichte inzwischen auf breiter Front angekommen sind, belegt die Tatsache, dass der XXX. Deutsche Kunsthistorikertag in Marburg 2009 diesem Thema gewidmet war.

Publication details

Published in:

Rippl Gabriele, Winko Simone (2013) Handbuch Kanon und Wertung: Theorien, Instanzen, Geschichte. Stuttgart, Metzler.

Pages: 364-392

DOI: 10.1007/978-3-476-05306-0_7

Full citation:

Locher Hubert, Wald-Fuhrmann Melanie, Glasenapp Jörn, Kollmar-Paulenz Karénina (2013) „Praxis und Theorie der Kanonisierung in Nachbardisziplinen“, In: G. Rippl & S. Winko (Hrsg.), Handbuch Kanon und Wertung, Stuttgart, Metzler, 364–392.