Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

198573

Präjudizien im Völkerrecht

Michael Geistlinger

pp. 159-186

Abstract

„Unter Präjudizien versteht man frühere Entscheidungen gleichartiger oder sehr ähnlicher Fälle. Der Ausdruck praeiudicium entstammt dem römischen Recht, hatte aber dort eine grundverschiedene Bedeutung. Damals ging es um die Klärung einer Vorfrage, heute steht die Bindungswirkung einer früheren Sachentscheidung zur Diskussion. Diese Bindungswirkung kann je nach Rechtskreis sehr verschieden aussehen: Den angloamerikanischen Rechten ist das stare decisis geläufig. Nur durch distinguishing, also der Annahme einer Differenz gegenüber der Beschaffenheit des präjudizierten Falles, oder durch overruling (bewusste, an qualifizierte Voraussetzungen gebundene Abkehr) kann man sich von einem Präjudiz lösen. Die meisten kontinentalen Kodifikationen stellen, soweit sie sich überhaupt auf eine Regelung des Rechtsgewinnungsmaterials einlassen, den Richter gegenüber Präjudizien frei. Darin wird mit Recht ein wesentliches Element der richterlichen Unabhängigkeit gesehen, auf die alle Verfassungen Wert legen. Im ABGB findet dies in dessen § 12 folgenden Ausdruck: „Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die von Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urteile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnt werden““2.

Publication details

Published in:

Harrer Friedrich, Honsell Heinrich, Mader Peter (2011) Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly. Dordrecht, Springer.

Pages: 159-186

DOI: 10.1007/978-3-7091-0001-1_10

Full citation:

Geistlinger Michael (2011) „Präjudizien im Völkerrecht“, In: F. Harrer, H. Honsell & P. Mader (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly, Dordrecht, Springer, 159–186.