Metodo

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

198508

Das interpretative Paradigma

Reiner Keller

pp. 17-126

Abstract

Der erste Band der vorliegenden Reihe zur Entwicklung soziologischer Positionen endete mit dem systemtheoretischen Theoriemodell, das Talcott Parsons in den 1950er Jahren entwarf. Die als Zusammenführung soziologischer Klassikerpositionen entwickelte 'strukturfunktionalistische Systemtheorie" dominierte die soziologische Theoriediskussion in den USA und in Europa bis weit in die zweite Hälfte der 1960er Jahre. Sie lieferte auch die Bezugskonzepte — etwa Definitionen von Rolle, sozialer Schichtung, Ungleichheit usw. — für die empirische Sozialforschung, sofern letztere Anschluss an theoretische Ausgangsüberlegungen suchte. Die Landkarte der Soziologie in dieser Zeit lässt sich so weitgehend zwischen zwei Polen aufzeichnen: der Parsonschen Theorie und daran orientierter Analysen auf der einen Seite, der mehr oder weniger ‚theorielosen" positivistischen, empirisch-quantitativen Sozialforschung auf der anderen Seite. Weitere ‚großtheoretische" Schulen — etwa marxistischer Ausrichtung oder die Kritische Theorie der Frankfurter Schule (vgl. S. 138ff. im vorliegenden Band) — existierten zunächst in verbleibenden Nischen und wurden dann in den 1960er Jahren zu Referenztheorien der Studentenbewegungen. In dieser Zeit brach die übersichtliche theoretische und empirische Landschaft der Soziologie auf. Der US-amerikanische Soziologe Alvin Gouldner sprach deswegen gar von der "kommenden Krise der westlichen Soziologie" (Gouldner 1974). Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen — beispielsweise der Schwarzen-, Studenten-, Frauenbewegungen — und aufkommender Hoffnungen auf eine demokratisch-ausgleichende Gesellschaftsgestaltung erweise sich, so seine Einschätzung, insbesondere das Theoriemodell von Parsons nunmehr in zweifacher Weise als ungeeignet, das gesellschaftliche Geschehen angemessen zu analysieren: Einerseits fehlten ihm Konzepte für die Analyse von Konflikten und gesellschaftlichem Wandel. Andererseits könne es, da es von gesellschaftlichen Selbstregulierungsprozessen ausgehe, keine Hilfen für die neuen gesellschaftsbezogenen Planungs- und Gestaltungserwartungen anbieten.

Publication details

Published in:

Brock Ditmar, Junge Matthias, Diefenbach Heike, Keller Reiner (2009) Soziologische Paradigmen nach Talcott Parsons: eine Einführung. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 17-126

DOI: 10.1007/978-3-531-91454-1_2

Full citation:

Keller Reiner (2009) Das interpretative Paradigma, In: Soziologische Paradigmen nach Talcott Parsons, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 17–126.