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Vom Klecks zum Psychogramm
Der Rorschach-Formdeutversuch als Aufführungs- und Aufzeichnungsverfahren
pp. 123-145
Abstract
Der Rorschach-Klekstest gehört zu den bekanntesten und umstrittensten Psychotests des 20. Jahrhunderts. Geht man die klassische Rorschach-Literatur unter dem Gesichtspunkt des Aufführens durch, ergibt sich ein widersprüchliches Bild: werden auf der einen Seite die sorgfältige Inszenierung der Testsituation und die freie Interaktion zwischen Prüfer und Proband betont, dominiert auf der anderen Seite das Bild einer quasi-mechanischen Reproduktion von Persönlichkeitsmerkmalen mittels eines "neutralen" Testapparats. Ein ähnlich zwiespältiger Befund ergibt sich, wenn man den Prozess der Verrechnung der Testergebnisse betrachtet. Hier stehen sich Ansätze zur strengen Formalisierung und die Betonung der Intuition des Prüfers gegenüber. Der Beitrag rekonstruiert dieses epistemische Spannungsverhältnis als Effekt einer spezifischen Machttechnologie, bei der die Verfügungsgewalt des prüfenden Psychiaters einerseits der äußeren Kontrolle entzogen, andererseits selbst unsichtbar gemacht wird.
Publication details
Published in:
Ankele Monika, Ledebur Sophie, Kaiser Céline (2019) Aufführen – Aufzeichnen – Anordnen: Wissenspraktiken in Psychiatrie und Psychotherapie. Dordrecht, Springer.
Pages: 123-145
DOI: 10.1007/978-3-658-20151-7_8
Full citation:
Germann Urs (2019) „Vom Klecks zum Psychogramm: Der Rorschach-Formdeutversuch als Aufführungs- und Aufzeichnungsverfahren“, In: M. Ankele, S. Ledebur & C. Kaiser (Hrsg.), Aufführen – Aufzeichnen – Anordnen, Dordrecht, Springer, 123–145.